Temporäres Objektlabor
Vom 1.10.2018 bis zum 31.3.2019 wurden im Tieranatomischen Theater Berlin drei exemplarische Experimente zur Erforschung von Objekten aus wissenschaftlichen Sammlungen durchgeführt. Das erste Setting von Sebastian Döring hatte eine neue Besinnung auf die kulturtechnische Perspektive am Beispiel der Kymographen in den Sammlungen der Humboldt-Universität/Charité Universitätsmedizin und des Medizinhistorischen Museums zum Ziel. In einem zweiten Setting erforschte Angela Strauß Steine als Zeugnisse der Vergangenheit anhand einer petrographischen Sammlung. Das dritte Setting bestand in einer künstlerischen Forschung von Oliver Thie an den Steinen der Sammlung von Carl Wilhelm Nose.
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Im Kontext des »Material Turn« wurde mit dem Temporäre Objektlabor ein interdisziplinärer Arbeitsrahmen geschaffen, in welchem Akteure aus Wissenschaft und Kunst gemeinsam an Sammlungsgegenständen forschten. Als Pilotprojekt für die zukünftige Ausgestaltung des Objektlabors am Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik (HZK) wurde hier die Interaktion von Sammlungen, Werkstatt und Ausstellung erprobt. Die Beteiligten veranstalteten Workshops, partizipative Rekonstruktionen und Seminare.
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Seit 1999 besteht an der Humboldt-Universität zu Berlin das HZK ein Zentralinstitut für die interdisziplinäre Forschung zur materiellen Kultur. Mit der erfolgreichen Einwerbung des Exzellenzclusters »Bild Wissen Gestaltung« im Jahr 2012 wurden erstmals die gestalterischen Disziplinen institutionell fest angebunden. Im Zuge des Folgeclusters »Matters of Activity« wurde die Materialitätsforschung an der Humboldt-Universität weiter verstärkt. Sie folgt dem im Doppelnamen Alexander und Wilhelm von Humboldt verwurzelten Grundgedanken, daß jede Idee im Sinne des lateinischen ob-jectum, das als materiell geformter Gegenstand entgegenkommt, einen objektiven Grund besitzt. Die vom 16. bis weit ins 19. Jahrhundert existierende Kunstkammer war zur Zeit der Universitätsgründung 1809/10 im Berliner Schloß untergebracht, zuletzt in der dritten Etage der Nordostecke. Sie beherbergte sogenannte Naturalia, Artificialia und Scientifica, also Gegenstände aus allen Bereichen der Natur, Kunstprodukte und wissenschaftliche Geräte.
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Damit spannte sich zur Zeit der Universitätsgründung ein Dreieck des Wissens zwischen der Berliner Universität, der gegenüberliegenden Alten Bibliothek (›Kommode‹) und der Kunstkammer im Schloß auf, um die realia und abstracta in Wechselwirkung zu bringen. Diese Wechselwirkung brachte zugleich auch die Objekte selbst in Bewegung. So zogen etwa die Tierpräparate aus der Kunstkammer in das Zoologische Museum der Berliner Universität, die seinerzeit im Ostflügel des Universitätsgebäudes untergebracht war, um dann 1889 in das neugegründete Museum für Naturkunde weiterzuziehen. Auch die mineralogische Sammlung wanderte ins Hauptgebäude, während etwa die Kunstsammlungen ab 1855 ins Neue Museum überführt wurden. Heute sind die Objekte der Kunstkammer quasi über ganz Berlin verteilt, während die Humboldt-Universität weiterhin wichtige Sammlungen unterhält und erforscht, so beispielweise das Lautarchiv mit Stimmaufzeichnungen aus der Kolonialzeit. Das Objektlabor ist angelegt, um innerhalb dieser dezentralen Sammlungslandschaft einen zentralen Ort der Nutzung und Erfschung der Objekte zu schaffen.