Oranienburg-Post Nr. 2

Auerlichter

BBWA

Ein Dienstagmorgen im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv (BBWA), untergebracht in einem ehemaligen Industriekomplex in Reinickendorf. Das Archiv ist auf Unternehmensgeschichte spezialisiert. In massiven grauen Schränken lagern hier die Nachlässe diverser Firmen. Vor unserem Besuch haben die Archivar:innen dort den Bestand zur Auergesellschaft herausgesucht. Das ist das Unternehmen, von das Werk in Oranienburg betrieben wurde.

Jetzt warten die grauen Mappen auf einem Tisch im Leseraum auf uns. Darin stapeln sich Festschriften, Firmenchroniken, Pressemappen und Produktmuster. Diese Sammlung ist dem BBWA von einem ehemaligen Mitarbeiter der Auergesellschaft übergeben worden. Offenbar hat er sich für die Ursprünge seines Betriebs interessiert und alles zur Geschichte der Firma aufbewahrt, was er aufstöbern konnte.

Diese Sammlung wurde von den Archivar:innen des BBWA aufgearbeitet und dient jetzt unserem Forschungsprojekt. Wir beginnen, die Akten in chronologischer Reihenfolge durchzugehen und auszuwerten. Dann halten wir inne. Vor uns liegt die Archivalie U3/31/14: ein Musterbuch für Glühkörper. Es entpuppt sich als Album, in dem weiße Strümpfchen in unterschiedlichen Größen eingeklebt sind. Historische Glühkörper für sogenannte Auerlichter.

Auerlichter

Diese Auerlichter verbreiteten sich um 1900 rasant in europäischen Metropolen. Als Energiequelle nutzten sie Gas statt Strom. Aber nicht nur das. Ihre Besonderheit lag im Herstellungsprozess Die Strümpfe waren mit einer Flüssigkeit aus Thorium und Cerium getränkt, die ein feuerfestes Skellet bildeten. Cer und Thorium ließen die Lichter besonders hell strahlen. So wurden die Gasglühlichter binnen kürzester Zeit zum Massenprodukt, das Europas Straßen illuminierte. Das Patent für die Glühstrümpfe hielt die Auergesellschaft. Ihre Produktion fand nicht nur in Oranienburg, sondern auch am Warschauer Tor in Berlin statt.

Glühstrumpf für Continental-Lampen -- Kunstseide. BBWA U3/31 Auergesellschaft/MSA Deutschland, Nr. F/14.

Wegen der Umweltrisiken sind Glühstrümpfe heute vielerorts verboten. In Deutschland gibt es sie immer seltener. Doch im Lesesaal des BBWA, im aufgeschlagenen Musterbuch, finden wir eine ganze Reihe von Originalstrümpfen. Sorgfältig eingeklebt auf schwarzen Seiten, die ihre skulpturalen Silhouetten und unterschiedlichen Webmuster hervorheben. Manche der Muster haben das Papier verfärbt. Offenbar haben die Materialien über die Zeit aufeinander gewirkt, sich gegenseitig verändert. “Matters of Activity” im BBWA.